Nachhaltiger Konsum: Warum Konsumenten-Entscheidungen nicht die Welt retten

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Nachhaltiger Konsum ist ein wichtiges Thema, genau wie die Frage, wer diesen zu verantworten hat. Wir diskutierten zuletzt auf Instagram mit Melanie Weigel, die 2016 die Petition für Fairtrade-Kaffee in der Deutschen Bahn durchboxte, über die Frage wer nachhaltigen Konsum und fairen Handel zu verantworten hat: Ist es die Politik oder sind es wir als Verbraucher*innen? In der Tat eine schwierige und komplexe Frage mit vielen validen Argumenten für beide Seiten. Melanie Weigel sieht Politiker*innen in der Pflicht, einen entsprechenden Rahmen für nachhaltigen Konsum zu setzen und sieht auch Konsument*innen in der Verantwortung, das eigene Kaufverhalten zu hinterfragen und sich politisch zu engagieren. Doch kann man von jeder/m Verbraucher*in verlangen, dies zu tun? Nicht jeder ist gewillt weniger zu verbrauchen, auf bestimmte Produkte wie Fleisch zu verzichten, Dinge länger zu nutzen, zu reparieren, zu recyclen oder gebraucht zu kaufen – alles gute Möglichkeiten eines bewussten und nachhaltigen Konsums. Wie kann die Lösung also aussehen?

Trend zu nachhaltigem Konsum 

Ein Trend zu nachhaltigem Konsum ist klar erkennbar. Der eigene Konsum wird immer mehr hinterfragt und das Konsumverhalten in Richtung Nachhaltigkeit verändert. Laut einer Studie von Statista über nachhaltigen Konsum in Deutschland hat mehr als jede*r Vierte bereits den Konsum einzelner Produkten eingestellt, die nicht den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. Für 30 Prozent ist Nachhaltigkeit ein kaufentscheidendes Element bei Lebensmitteln und Getränken, bei Beauty-& Körperpflegeprodukten sind es 27 Prozent und bei Mode 25 Prozent. Dennoch blickt jede*r Fünfte kritisch auf die Nachhaltigkeitsbehauptungen von Marken, mit der Befürchtung, diesen dienten vor allem der Preissteigerung. Insbesondere bei den jüngeren Zielgruppen ist Nachhaltigkeit ein relevanter Faktor: 26 Prozent der 16-29-jährigen geben an, nicht nachhaltige Marken nicht (mehr) zu kaufen. Stattdessen liegt der Fokus hier verstärkt auf nachfüllbaren und veganen Produkten. 

Auch im Online-Handel steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Mehr als die Hälfte (53%) der Konsument*innen zwischen 25-34 Jahren kauft bevorzugt online und das mindestens einmal pro Woche. 65 Prozent der Befragten sind bereit, mehr für den Versand zu zahlen, wenn dieser CO2-neutral ist. Für jede*n Zweite*n spielt geringer Verpackungsmüll eine große Rolle bei der Lieferung. 

Eine andere Befragung fand heraus, dass jede*r zweite bereits auf Plastik zu verzichten versucht und Dinge repariert, statt sie neu zu kaufen. 39 Prozent der Befragten schränken bereits ihren Konsum ein, um nachhaltiger zu leben.

Die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein und Engagement für nachhaltigen Konsum noch einmal verstärkt in den Fokus gerückt. Eine Studie des Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmens Capgemini zeigt, dass weltweit 79 Prozent der Konsument*innen ihr Kaufverhalten ändern und Kriterien wie soziale Verantwortung, Inklusivität, Umweltfreundlichkeit und die Verknappung natürlicher Ressourcen verstärkt in den Fokus rücken. In Deutschland wechseln 48 Prozent der Befragten zu nachhaltigen Produkten. 52 Prozent empfinden eine stärkere emotionale Bindung an Produkte oder Organisationen, die sie als nachhaltig wahrnehmen – ein entscheidender Faktor für Markenloyalität. 

Laut Statistischem Bundesamt werden beispielsweise Fleischersatzprodukte wie Brotaufstriche, Sojabratlinge, oder Tofu immer stärker nachgefragt. Ihre Produktion erhöhte sich im 1. Quartal 2020 von rund 14,7 Tausend Tonnen auf gut 20 Tausend Tonnen im Vergleich zum Vorjahr. Parallel dazu sank der Fleischkonsum in Deutschland 2020 auf das tiefste Niveau seit mindestens 30 Jahren. Verbraucher*innen blicken im Gegenzug verstärkt auf vegane Produkte: Deren Umsatz stieg um 59 Prozent. Pflanzenmilch ist derzeit das umsatzstärkste Alternativprodukt im Handel: 93 Prozent der Deutschen kaufen regelmäßig pflanzliche Milchalternativen. 

Nachhaltige Produkte als Luxusgut?

Nachhaltigen Konsum muss man sich erstmal leisten können, denn Bio- und Fairtrade-Produkte sind in der Regel teurer als Billigware. Insofern wäre es ein Privileg der Reichen, die Welt über Konsum-Entscheidungen retten zu können. Dafür ist der Anteil der Wohlhabenden dann aber zu gering und wir wären zum Scheitern verurteilt. 

Nachhaltige Produkte kosten oftmals viel mehr, als Kund*innen letztendlich zu zahlen bereit sind. Durchschnittlich kosten diese 75 bis 85 Prozent mehr als herkömmliche Alternativen. Demgegenüber steht die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher*innen: 70 Prozent sind bereit bis zu 10 Prozent mehr für nachhaltige Produkte auszugeben und 15 Prozent würden sogar 30 Prozent mehr ausgeben. Diese steht also in deutlichem Kontrast zur Preisgestaltung. 

Verursacht werden die hohen Preisaufschläge nachhaltiger Produkte durch die konventionelle Preisgestaltung der Markenbesitzer und des Handels. Der Teil der Wertschöpfung, der den größten Einfluss auf die Nachhaltigkeit eines Produktes hat, ist vor allem am Anfang der Wertschöpfungskette verankert. Dieser macht aber in üblichen Handelsmodellen den geringsten Anteil (ca. 10%) der Preisgestaltung aus. Rund 80 Prozent des Preises verteilen sich hingegen auf Faktoren wie Branding und Gewinnmargen. 

Dass individuelle Konsumentscheidungen das Problem nicht lösen können, meint auch der Soziologe Prof. Stefan Lessenich vom Institut für Soziologie der Universität München. Vielmehr brauche es eine Veränderung globaler Strukturen und ungleicher Machtverhältnisse. Wie das eben genannte Beispiel zeigt, können auch alternative Handelsmodelle eine Lösung darstellen wie beispielsweise der Fairchain-Ansatz.

Wie nachhaltig ist nachhaltig?

Wie nachhaltig die angebotenen Produkte dann wirklich sind, ist nochmal eine ganz andere Frage – ebenso ob die deutlich höheren Preise überhaupt gerechtfertigt sind. Klassisches Beispiel: Wie kann der Verkehr klimafreundlicher werden, wenn ein Inlandsflug weniger kostet als eine Bahnfahrt? Dafür braucht es Strukturen und politische Weichenstellungen, die Nachhaltigkeit fördern. 

Wer wirklich nachhaltig konsumieren möchte, sollte sich intensiv mit den in Frage kommenden Produkten und ihrer Herstellung beschäftigen. Das ist ein Aufwand, den viele Verbraucher*innen scheuen und der auch kaum zumutbar ist. So wissen 78 Prozent der Verbraucher*innen nicht, dass die Herstellung eines Schokoriegels bis zu 1.000 Liter Wasser verbraucht oder die Produktion einer Jeans bis zu 7.500 Liter. 

Ein weiteres Problem: Greenwashing. Unternehmen verkaufen scheinbar nachhaltige Produkte, die den Nachhaltigkeitskriterien nicht wirklich entsprechen und Verbraucher*innen so in die Irre führen. 

Hier könnten Politiker*innen gezielt eingreifen, etwa über steuerpolitische Maßnahmen. Aktuell werden Fleisch und Milchprodukte mit 7 Prozent versteuert, Hafermilch jedoch mit 19 Prozent. Gezielte Steuersenkungen könnten Anreize für einen nachhaltigeren Konsum schaffen. 

Verantwortung für nachhaltigen Konsum

Wir sehen die Verantwortung für nachhaltigen Konsum auch ganz klar im Handel verortet: Wer Waren, wie beispielsweise Kaffee in Umlauf bringt, sollte sich Gedanken über die komplette Wertschöpfungskette machen. Kaffeebäuerinnen und -bauern können beispielsweise häufig nicht vom Kaffeeanbau leben, was dazu führt, dass lukrativere Jobs gesucht werden. Die Nachwuchssorgen in dem Segment sind real, dazu kommen die Herausforderungen des Klimawandels, was offen lässt, ob die steigende Nachfrage nach Kaffee in den kommenden Jahren (+50 Prozent bis 2050 laut Global Coffee Platform) überhaupt noch bedient werden kann. 

Verbraucher Macht, die vom “Ende” her Druck ausübt, kann es nicht geben, dafür sind die Verbraucher zu unterschiedlich.

Darum sehen wir Angelique’s Finest und den Fairchain-Ansatz als systemischen Wandel: Mit jeder getrunkenen Tasse zeigen wir, dass ein anderes, wirklich faires Handelssystem möglich ist. Wir müssen weg vom Gedanken der Profitmaximierung und Ausbeutung, hin zu einer gerechteren Verteilung der Ressourcen. Mindestpreise müssen eingehalten werden, die ein menschenwürdiges Leben der Menschen am Anfang der Wertschöpfungskette ermöglichen. Eine Umverteilung der Ressourcen und Verantwortlichkeiten kann Produktionsketten fairer gestalten. 

Fazit

Ganz klar: Verbraucher*innen können über ihre Konsum-Entscheidungen Einfluss nehmen und Zeichen setzen. Doch ein grundlegender Wandel wird sich so vermutlich nicht vollziehen. Darum ist die Politik und der Handel gefragt – zum einen um entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen und um attraktive Angebote und Alternativen zu schaffen. Nicht zu vernachlässigen sind die Medien, über die Verbraucher*innen informiert und aufgeklärt werden. Plattformen wie Utopia informieren beispielsweise über nachhaltige Produkte und Anbieter.

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