Permakultur, regenerative Landwirtschaft, Agroforst – das sind Begriffe, die man immer öfter hört. Doch was genau steckt dahinter? Und warum spielt das Thema auch beim Kaffeeanbau in Ruanda eine Rolle?

Mulchen im Agroforst Kaffeeanbau
Grundsätzlich gehören diese Konzepte eng zusammen. Permakultur ist mehr als eine Anbaumethode, sie versteht sich als eine Art Lebensphilosophie, die nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte einbezieht. Die regenerative Landwirtschaft ist eine praktische Methode, die Böden, Wasser und Biodiversität aktiv regenerieren will. Und Agroforst ist in beiden Ansätzen ein ganz konkretes Werkzeug: die gezielte Integration von Bäumen in landwirtschaftliche Systeme.
Dabei ist Agroforst keine moderne Erfindung. In vielen Teilen der Welt ist es eine uralte Praxis: Schon indigene Gemeinschaften in Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien haben seit Jahrhunderten ihre Felder bewusst mit Bäumen durchmischt, um Erträge zu sichern und die Natur im Gleichgewicht zu halten (Miller and Nair, 2006; Dhyani et al., 2019). Erst mit der Industrialisierung der Landwirtschaft und der Verbreitung von Monokulturen geriet dieses Wissen in Vergessenheit (Smith, 2010). Heute jedoch besinnen sich immer mehr Bäuer*innen und Fachleute darauf zurück, unterstützt von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die die Vorteile solcher Systeme belegen (siehe z.B. Mosquera-Losada et al. (2012)).
Doch warum ist Agroforst überhaupt sinnvoll?
Wir alle wissen mittlerweile, dass wir in einer Klimakrise stecken. Viele von uns versuchen im Alltag nachhaltiger zu konsumieren: weniger Auto fahren, mehr pflanzenbasiert essen oder auf klimaschädliche Produkte verzichten. Doch ein riesiger Hebel für echten Wandel liegt in der Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel produzieren.
Die Landwirtschaft verursacht weltweit einen erheblichen Teil der CO₂-Emissionen. In Deutschland zum Beispiel wird mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen für die Futterproduktion genutzt (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft). Hohe Tierbestände, Bodenerosion, Monokulturen und ein hoher Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger verschärfen die ökologischen Probleme zusätzlich.
Dabei geht es auch anders – und hier kommt Agroforst ins Spiel.
In Agroforstsystemen werden gezielt Bäume und Sträucher auf Ackerflächen oder Weiden integriert. Das klingt simpel, hat aber große Wirkung: Ein besonders wichtiger Punkt ist, dass solche Systeme den kleinen Wasserkreislauf aktiv halten und dadurch die Umgebung kühlen. Über ihre Blätter verdunsten die Bäume Wasser, das später als Niederschlag in die Landschaft zurückkehrt, ein Kreislauf, der in baumarmen Monokulturen oft gestört ist. So können Agroforstsysteme helfen, Trockenstress zu reduzieren und die Widerstandskraft der Pflanzen gegen zunehmende Wetterextreme zu stärken.
Darüber hinaus erfüllen die Bäume in Agroforstsystemen zahlreiche wertvolle Funktionen. Ihre Wurzeln stabilisieren den Boden und schützen ihn vor Erosion, also dem Verlust fruchtbarer Bodenschichten durch Wind und Wasser. Blätter und Laub verbessern die Bodenfruchtbarkeit und fördern die Humusbildung. Die Bäume spenden Schatten, speichern Wasser, strukturieren die Landschaft und bieten Windschutz. Zudem tragen sie zur Verbesserung des Mikroklimas bei, was den Pflanzen hilft, Stress durch Hitze oder Trockenheit besser zu bewältigen. Sie speichern große Mengen an CO₂ und leisten damit einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Gleichzeitig bieten sie wertvollen Lebensraum und Wanderkorridore für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten in der Agrarlandschaft. Und nicht zuletzt liefern sie auch wertvolle Produkte: Frucht-, Wert- oder Energieholz können zusätzliche Einkommensquellen für die Farmer*innen schaffen (Klingbacher et al., 2025).


Wie das in der Praxis aussieht, konnten wir bei der Maraba Kaffeekooperative in Ruanda aus erster Hand erfahren. Baptiste, der Zertifizierungsmanager und leitende Agronom der Kooperative, hat uns sehr anschaulich erklärt, wie Agroforst dort konkret umgesetzt wird. Jedes Jahr im Dezember entwickeln die Agronomen gemeinsam einen Plan für die kommende Saison. Im Agroforstbereich heißt das: Bäume, die gut mit Kaffeepflanzen harmonieren, werden vorbereitet und gezielt gepflanzt. Grevillea, Leucaena oder Calliandra spenden Schatten und reichern den Boden mit Nährstoffen an. Fruchtbäume wie Papaya, Bananen und Avocados ergänzen das System und schaffen zusätzliche Einkommensquellen für die Farmer*innen.
Besonders wichtig ist dabei, dass die Wurzelsysteme der Bäume so ausgewählt und kombiniert werden, dass sie keine Konkurrenz für die Kaffeepflanzen darstellen. Avocados etwa wurzeln tiefer als Kaffee und entziehen ihm dadurch kein Wasser. Baptiste und sein Team schulen die Bäuer*innen gezielt darin, welche Bäume sich wo am besten eignen – manche eher im Zentrum der Felder, andere am Rand, um eventuelle Konkurrenz zu vermeiden.
Ein kleines Geheimnis am Rande: Den Schatten der Bäume haben wir bei unseren Feldbesuchen selbst sehr geschätzt. Da wir oft in großer Höhe unter der ruandischen Sonne unterwegs waren, bot uns der angenehme Schatten der Bäume mehr als einmal eine willkommene Erholung von der intensiven Hitze. So profitieren nicht nur die Pflanzen von den Bäumen, sondern auch wir als Besucherinnen und ganz sicher auch die Farmer*innen bei ihrer täglichen Arbeit.

Ein weiteres Ziel der Kooperative ist es, durch gezielte Maßnahmen wie den Anbau von Gräsern an den Feldrändern die Erosion zu verringern und gleichzeitig Material für die Kompostierung zu gewinnen. Auch der Einsatz von Pestiziden wird durch Schulungen im Bereich Integrated Pest Management (Integriertes Schädlingsmanagement) reduziert.
Mulchen, also das Bedecken des Bodens mit organischem Material wie Blättern oder Gras
Durch das gezielte Beschneiden werden Pflanzen so gepflegt, dass sie gesund bleiben, das Wachstum gefördert und Schädlinge sowie Krankheiten reduziert werden können. Die abgeschnittenen Pflanzenteile werden zum mulchen verwendet, so wird das Pflanzenmaterial ideal genutzt und die Widerstandskraft der Pflanzen gestärkt.
All diese Maßnahmen führen zu gesünderen Böden, mehr Artenvielfalt und resilienteren landwirtschaftlichen Systemen. Gleichzeitig können die Farmer*innen durch den Anbau zusätzlicher Produkte wie Chilis oder Obst ihr Einkommen diversifizieren.
Was sich beim Kaffeeanbau in Ruanda zeigt, gilt im Prinzip für die Landwirtschaft weltweit: Agroforstsysteme bieten die Chance, ökologische und wirtschaftliche Ziele miteinander zu verbinden. Sie sind flexibel einsetzbar – von tropischen Regionen bis nach Mitteleuropa.
Und sie zeigen, dass eine zukunftsfähige Landwirtschaft möglich ist, wenn wir bereit sind, von der Natur zu lernen. Während Permakultur und regenerative Landwirtschaft wichtige übergeordnete Konzepte liefern, ist Agroforst das greifbare Werkzeug, um landwirtschaftliche Flächen tatsächlich nachhaltig und klimafreundlich zu gestalten.
Gerade angesichts von Klimakrise und Artensterben können solche Ansätze helfen, unsere Art zu wirtschaften grundlegend zu verändern. In Brasilien, Kenia oder Indien gibt es bereits beeindruckende Erfolge, besonders auch im Kaffeeanbau. Dort zeigen agroforstwirtschaftliche Systeme, dass sie nicht nur die Qualität der Bohnen deutlich verbessern, sondern auch Schädlingsbefall reduzieren und die Auswirkungen des Klimawandels spürbar abmildern können (Gomes et al., 2020; Reppin et al., 2020; Nesper et al., 2017).
Aber auch in Europa wächst das Interesse – und das ist gut so. Denn wenn wir wollen, dass unsere Landwirtschaft auch in Zukunft ökologisch und sozial tragfähig bleibt, werden wir um Systeme wie Agroforst nicht herumkommen.
Bäume auf dem Acker sind also viel mehr als nur hübsches Beiwerk. Sie könnten ein Schlüssel für die Landwirtschaft von morgen sein in Ostafrika wie in Europa.
Mit Angelique’s Finest gehen die Produzentinnen diesen Weg bereits heute: Der Kaffee wird von Kooperativen wie Maraba nach genau diesen Prinzipien produziert. So können die Bäuer*innen nicht nur einen außergewöhnlich guten Kaffee anbieten, sondern gleichzeitig aktiv zu mehr Klimaschutz und einem guten Einkommen beitragen.
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