It’s a wrap! Nach jeweils drei Monaten in Berlin und Ruanda ist meine offizielle Praktikumszeit vorbei. Vielleicht haben Sie auch schon einige spannende Einblicke in unserem Newsletter erhalten – Heléna, meine “ASA-Kollegin”, und ich (Janne) durften die Sommermonate bei der Maraba-Kooperative in Huyé verbringen. In diesem Blogartikel möchte ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse aus dieser Zeit teilen. Und wenn Sie keine spannenden Neuigkeiten aus der Kaffee-Kooperative verpassen wollen, melden Sie sich doch für unseren Newsletter an. -> Newsletter abonnieren.
Heléna, Angelique und ich (Janne) bei unserem ersten Treffen in Kigali.
Ein Kaffee Praktikum mit Aha-Effekt
Bevor ich das Praktikum bei der Kaffee-Kooperative begann, wusste ich ehrlich gesagt nicht einmal, dass Kaffee als Kirsche geerntet wird. Generell war mir kaum bewusst, wie viele Verarbeitungsschritte von der Pflanze bis zur Tasse durchlaufen werden (s. Abbildung). Das hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie weit wir als Endkonsument*innen häufig vom Ursprung des Produkts entfernt sind – selbst wenn wir es täglich konsumieren. Denn Kaffee getrunken habe ich auch schon vor Praktikumsbeginn gerne. Der Kaffeehandel – so wie der Handel mit vielen “Cash Crops” – war mir schon länger als ein eher schmutziges Geschäft bekannt. Welche Strukturen und Akteure die ungleiche Verteilung entlang der Wertschöpfungskette fördern und wie Fairtrade-Initiativen sowie die Kaffee-Kooperative Veränderungen herbeiführen möchten, habe ich jedoch erst in der Praxis richtig verstanden. Deshalb bin ich umso dankbarer, die Möglichkeit gehabt zu haben, sechs Monate tief in die Welt des fairen Handels eingetaucht zu sein.
Verarbeitungsschritte von Angelique’s Finest
Während der ersten drei Monate in Berlin habe ich vor allem die Vertriebsperspektive kennengelernt: Wer trinkt eigentlich Angelique’s Finest und Café de Maraba? Wie haben sich die beiden Marken entwickelt, was verbindet sie, was unterscheidet sie, und was ist die Vision sowie der Action Plan der Kaffee-Kooperative? Während der Arbeit im Impact Hub habe ich wertvolle Einblicke in soziales Unternehmer*innentum und in die Start-Up-Welt erhalten, die meine Erfahrung als Werkstudierende in einem großen Konzern kontrastrierte. Vom ersten Tag an fühlte ich mich als Teil des Teams, durfte Verantwortung übernehmen und entscheiden, welche Aufgaben meinen Fähigkeiten und Interessen entsprechen. Sogar an sehr wichtigen Entscheidungsprozessen, wie der Einstellung einer neuen Geschäftsführerin, wurde ich beteiligt. Und wie Sie wahrscheinlich wissen, haben wir eine tolle Kandidatin gefunden: Maura! Wenn Sie sie näher kennenlernen möchten, abonnieren Sie gerne unseren Newsletter (im Pop-Up beim Öffnen der Website oder ganz unten rechts auf unserer Seite) – Sie erhalten dann regelmäßig Neuigkeiten von ihr persönlich. Ein besonderes Highlight in dieser Zeit waren außerdem die Fairtrade Awards, bei denen die Kaffee-Kooperative gemeinsam mit den FairActivists und der Abizerwa Women’s Association die Auszeichnung in der Kategorie „Climate Heroes Society“ gewonnen hat. Und Angelique war in Berlin! Ich konnte sie schon vor meiner Ausreise kennenlernen – ein toller Moment, der meine Vorfreude auf Ruanda noch größer werden ließ.
Huyé, Ruanda: Der Start des zweiten Abenteuers
Im Juli hieß es dann für Heléna und mich: Auf nach Ruanda! Trotz der Vorbereitung durch das ASA-Seminar und meiner Zeit bei der Kaffee-Kooperative in Berlin war ich ein wenig nervös – denn es war meine erste Reise in ein afrikanisches Land. Doch die Vorfreude überwog eindeutig, und Ruanda hat uns herzlich empfangen. Angelique holte uns nach Ankunft persönlich ab und zeigte uns Rwashoscco, das Partnerunternehmen der Kaffee-Kooperative in Kigali. Anschließend verlagerte sich unser Standort planmäßig nach Huyé zur Maraba Kooperative, wo wir ebenfalls mit offenen Armen empfangen wurden.
In den ersten Wochen ging es für uns darum, den Produktionsprozess des Kaffees von Grund auf kennenzulernen. Dazu gehörte unter anderem das Pflanzen der Sämlinge, die Aufbereitung und das Trocknen der Kaffeekirschen in den Coffee Washing Stations, das sogenannte “Hulling” (d.h. das maschinelle Entfernen der äußeren Schale um die Kaffeebohne), sowie das Sortieren und Verpacken des Kaffees. Ich war überrascht davon, wie viele Personen an jedem einzelnen dieser Prozesse beteiligt sind und wie häufig gewissenhaft durchgeführte, manuelle Qualitäskontrollen erfolgen. Dass jede Kaffeebohne sorgfältig ausgewählt ist, ist wirklich kein leeres Versprechen. Obwohl ich in Berlin einiges an theoretischem Wissen sammeln konnte, erlebte ich meine großen „Aha-Momente“ vor Ort in der Kooperative. Vieles, von dem ich vorher gelesen habe, konnte ich nun hautnah erleben – sowohl Gutes als auch Herausforderndes. Unser Supervisor Aphrodis nahm sich immer viel Zeit für uns, zeigte uns jeden Schritt der Produktion und ermöglichte uns neben dem ganzen “technischen” Wissen auch den Austausch mit den Bäuer*innen. Besonders schön war die Begegnung mit der Abizerwa Women’s Association – der Frauengruppe innerhalb der Kooperative, die Angelique’s Finest produziert und auch den Fairtrade Award gewonnen hat! Obwohl wir uns vorher nicht kannten und auch nicht dieselbe Sprache sprachen (Kinyarwanda war eine echte Herausforderung!), wurden wir herzlich empfangen – und zwar mit einem Kaffee-Song und Tanz! Ich war immer wieder beeindruckt, wie Kaffee als verbindendes Element zwischen Ländern und Kulturen fungieren kann und habe bei diesem Treffen wirklich verstanden, was Angelique’s Finest so besonders macht. Die Erzählungen der Frauen haben verdeutlicht, dass eine Identifikation mit dem Produkt besteht und aufgezeigt, wie das Handelsmodell zwischen Rwashoscco und der Kaffee-Kooperative signifikant zu ihrer finanziellen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung beiträgt – und zwar deutlich mehr als „nur“ Fairtrade-zertifizierte Kaffees.
Frustrationen und Perspektiven im Kaffeehandel
Der krasse Gegensatz zum Angelique’s Finest Modell ist der konventionelle Kaffeehandel, mit dem ich mich unweigerlich immer als Gegenpol konfrontiert sah. Bei der Recherche für den Blogartikel „Was ist überhaupt das Problem im heutigen Kaffeehandel?“ hatte ich mir bereits die großen Zahlen, Daten und Fakten angeschaut. Doch erst vor Ort konnte ich erkennen und spüren, dass jede Statistik und abstrakte Zahl letztendlich aus Individuen besteht. Ich möchte klarstellen, dass ich mich an dieser Stelle ausdrücklich nicht auf die Bäuer*innen beziehe, die ich bei der Maraba-Kooperative kennenlernen durfte. Vielmehr beziehen sich diese Eindrücke auf Gespräche mit Menschen innerhalb der Kooperative, die durch ihre langjährige Erfahrung den Kaffeesektor als Ganzes betrachten können. Je länger ich über diese Bedingungen nachdachte, desto frustrierter und wütender wurde ich, dass fair gehandelter Kaffee in Deutschland nur 5 % des Gesamtmarktes ausmacht (Fairtrade 2024). In anderen Worten: Der Großteil des Kaffees, den Deutschland trinkt, basiert auf unlauteren Handelspraktiken. Diese Realität hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, Marken wie Angelique’s Finest zu entwickeln, die nachhaltige Handelsmodelle auf Augenhöhe etablieren und echte Alternativen zum Status quo aufzeigen. In diesem Zusammenhang war es für mich auch besonders spannend, neben der Kaffee-Kooperative auch die Unternehmen aus dem “In Good Company Report” kennenzulernen. Sie alle haben die zehn Prinzipien des Global Compact (und mehr) in ihrem Corporate Design verankert und sind Pioniere für die Wirtschaft von morgen: für mehr Kooperation statt Konkurrenz und nachhaltiges Unternehmer*innentum.
Abizerwa Women’s Group bei ihrem Begrüßungs- und Abschiedstanz
Was bleibt: Mein persönliches Fazit und Zukunftsperspektive
Rückblickend kann ich sagen, dass ich eine wunderschöne Zeit sowohl in Berlin als auch in Ruanda mit vielen spannenden Begegnungen hatte und das Praktikum ein intensiver Lernprozess auf mehreren Ebenen gewsen ist. Ich bin dankbar, durch das ASA-Programm, die Möglichkeit gehabt zu haben, so tiefe Einblicke zu gewinnen und kann eine Bewerbung bei dem Projekt der Kaffee-Kooperative nur empfehlen. Jetzt stellt sich für mich die Frage: Wie geht es weiter? Denn auch wenn sich mein Praktikum dem Ende neigt, habe ich das Gefühl, bei vielen Themen gerade erst am Anfang zu stehen und möchte auf dem erworbenen Wissen aufbauen. Wie genau mein Engagement in Zukunft aussehen wird, überlege ich gerade noch. Wenn ich in den letzten Monaten jedoch eines gelernt habe, dann ist es, dass wirkungsvolles und gleichzeitig niederschwelliges Engagement oft beim eigenen Konsumverhalten beginnt. Durch die Entscheidung für fairen Handel – sowohl innerhalb als auch jenseits etablierter Labels – kann man tatsächlich etwas bewegen. Um das im Fall von Angelique’s Finest zu verdeutlichen, möchte ich auf Mauras Newsletter vom 13.10. verweisen, in dem sie das Thema näher beleuchtet:
“Die Bäuerinnen, die ihre gesamte Ernte als Angelique’s Finest-Kaffee verkaufen konnten, profitierten im vergangenen Jahr von einem sicheren Einkommen und konnten in ihre Gemeinden und die Diversifizierung ihrer Einkommensquellen investieren. So wurden 10.000 Avocadobäume gepflanzt und 3.000 Hennen zur Eiproduktion angeschafft. Diese zusätzlichen Einkommensquellen sichern den Frauen hinter Angelique’s Finest auch außerhalb der Kaffee-Saison ab. Die restlichen 37 % der Bäuerinnen jedoch sind weiterhin gezwungen, ihren Kaffee unter deutlich schlechteren Bedingungen anderweitig zu verkaufen. Dies kann für sie bis zu 90 % weniger Einnahmen bedeuten. Das müssen und wollen wir dringend ändern.”
Ich bin überzeugt, dass an dieser Stelle jede*r einen Impact als Multiplikator*in haben kann! Ich selbst habe während meines Praktikums oft erlebt, wie Freund*innen und Familie sich intensiver mit dem Thema befasst und sich schließlich für den Kauf von Angelique’s Finest entschieden habe. Deshalb möchte ich auch andere ermutigen, ihren eigenen Wirkungskreis nicht zu unterschätzen und aktiv zu werden.
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