Laurence Mukakabera ist eine der über 200 Produzentinnen des vollständig von Frauen produzierten Kaffees Angelique’s Finest. Laurence ist 53 Jahre alt, verwitwet und hat zwei Kinder sowie einen Enkelsohn. Unsere Kollegin Lilith traf sie während ihres Aufenthalts in Ruli auf ihrem Kaffeefeld.
Hallo Laurence, ich sehe du bist sehr beschäftigt, was machst du gerade?
Da die Haupterntezeit langsam zu Ende geht, ist es Zeit, die Kaffeesträucher auf die Regenzeit vorzubereiten. Dazu lege ich Gras in in einem Abstand von rund 20 Zentimetern rund um die Pflanze herum, damit sie vor der Sonne geschützt wird. Sobald die Regenzeit einsetzt, kann ich dann auch Dünger benutzen.
Hattest du eine gute Ernte?
Dieses Jahr habe ich 700 kg Kaffeekirschen geerntet. Nächstes Jahr wird es wahrscheinlich noch mehr, da ich dieses Jahr eines der Felder nicht nutzen konnte. Dort mussten die Sträucher geschnitten werden. Das ist alle sieben Jahre nötig, damit die Sträucher auch in Zukunft weiterhin viele Kirschen tragen. Durchschnittlich bringt mir ein Kaffeestrauch dann 5 bis 7 kg Kaffeekirschen ein.
Woher weißt du, dass eine Kaffeekirsche gut ist?
Zunächst erkennt man es an der Farbe – reife Kirschen haben ein schönes Rot, sind aber auch noch nicht zu dunkel. Außerdem sind die guten Kirschen schwerer als schlechte Kirschen, selbst wenn die Farbe von beiden vielversprechend ist. Selbstverständlich kann ich die Qualität auch erschmecken, wenn ich eine der Kirschen probiere.
Du bist seit dem Genozid in Ruanda verwitwet. Wie hast du dir eine neue Zukunft aufgebaut?
Es fällt mir nicht leicht über diese Zeit zu sprechen, aber ich möchte gerne meine Lebensgeschichte mit euch teilen. Ich glaube, dass auch Menschen in Deutschland von unserem Leben erfahren sollten. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir über das reden, was passiert ist.
Nach dem Völkermord war es wirklich schwer. In nahezu jeder Familie war jemand betroffen. Als Christin wurde mir beigebracht, einander zu lieben und zu vergeben. Auch das Regierungsprogramm „Unity Reconciliation“ forderte Vergebung…. aber manchmal, weißt du, war das wirklich schwer….
Nachdem mein Mann ermordet wurde, dachte ich keine Zukunft zu haben. Es war eine schwere Zeit und ich dachte, ich würde auch getötet werden. Ich floh in den Kongo und lebte dort, bis es in Ruanda wieder friedlich und sicher war. Ich kam zurück, aber ich hatte nichts. Alles war zerstört. Ich hatte keine Wohnung mehr, also bat ich meine Schwägerin Mary um Hilfe. Ich konnte bei ihr wohnen und sie unterstützte mich, bis es mir etwas besser ging.
Auch die katholische Kirche half mir dabei, wieder auf die Beine zu kommen. Sie gaben mir ein kleines Haus, das ich später erneuert habe. Dann fing ich an, meine Zukunft als Kaffeebäuerin zu planen. Ich wollte nicht aufgeben.
Doch dann ereilte meine Familie ein weiterer Schicksalsschlag. Meine Tochter wurde mit HIV infiziert. Der Vater ihres Sohnes hat die Krankheit übertragen. Wenigstens ist mein Enkelsohn gesund.
Seit ihrer Diagnose ist meine Tochter traumatisiert. Sie kann die Erkrankung nur schwer akzeptieren und kämpft seitdem mit mentalen Probleme. Aus diesem Grund streiten wir auch häufig.
Allerdings bietet die Regierung ein Beratungsprogramm für Genozidopfer an. Das hat mir geholfen, die Situation mit meiner Tochter zu verarbeiten. Außerdem stellt die Regierung ihr auch die nötigen Medikamente zur Verfügung. Eine gute Regierung ist wie ein Vater, er hilft dir mit deinen Problemen.
Das ist alles sehr erschütternd. Wie gehst du damit um?
Mir riet ein katholischer Priester, ich solle meine Probleme teilen. Man braucht wenigstens einen Freund, dem man sich anvertrauen kann. Außerdem glaube ich, dass Gott für mich da ist.
Ist es nicht schwierig, Vergebung zu praktizieren, nach all dem was passiert ist?
Natürlich ist es schwer. Aber Vergebung ist ein wichtiges Prinzip und man sollte nicht aufzuhören, einander zu vergeben.
Mittlerweile ist mein Leben wieder gut, irgendwie zumindest.
Wie sieht deine Familiensituation mittlerweile aus?
Nachdem mein Ehemann starb, wollte ich keinen neuen, also blieb ich allein. Ich habe meine Tochter, meinen Enkel und dazu mein Patenkind, das ich wie einen Sohn aufgezogen habe. Er wollte nicht bei seinen Eltern leben, also kam es zu mir und entschloss sich, mein Kind zu werden. Ich unterstütze ihn so gut ich kann, zahle die Schulgebühren und was sonst so anfällt. Dank des Kaffees bin ich dazu in der Lage, meinen Kindern eine Zukunft zu eröffnen. Es sieht hier arm aus, aber ich arbeite einfach zu viel, als dass ich Zeit hätte, am Haus etwas zu tun.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich möchte mich weiter entwickeln. Es gibt keinen Grund, um Essen oder sonstige Dinge zu betteln. Ich möchte die Dinge selbst in die Hand nehmen. Deshalb bin ich sehr dankbar für meine Mitgliedschaft in Rambagira Kawa. Die Handarbeit in der Frauenkooperative ist meine Altersvorsorge, wenn mir einmal die Kraft für die Feldarbeit ausgeht.
Woher nimmst du die Kraft, all das durchzustehen?
Der Regierungsplan 2050, der die Entwicklung Ruandas vorsieht, gibt mir Hoffnung. Es ist ein gutes Programm, unsere Regierung kümmert sich um sein Volk. Wir leben jetzt in Sicherheit und Frieden. Die Regierung hilft den Genozidopfern. Ich fühle mich jetzt sicher. Seit 1994 ist niemand mehr in mein Haus eingebrochen.
Auch die Kooperative verleiht mir Stärke. Wir lernen viel über den Kaffeeanbau, etwa wie man Sonneneinstrahlung vermeidet oder wie man die Kaffeepflanzen widerstandsfähiger macht, selbst auf steinigem Boden. Diese Ermutigung gibt viel Kraft. Und dann gibt es noch Gott.
Beziehst du dein Einkommen nur aus Kaffee?
Kaffee macht den größten Teil aus. Ich verkaufe auch Bohnen, aber die verkaufen sich nur schlecht. Wenn ich knapp bei Kasse bin, kann ich sie allerdings gegen andere Sachen eintauschen. Wenn mir das Geld ausgeht, verkaufe ich Holz – das ist verhältnismäßig rentabel. Ich bin also auf den Kaffee angewiesen, um finanziell über die Runden zu kommen. Die Schulgebühren, Strom, Wasser, Seife, Öl, Salz, Reis und Kleidung – alles kostet Geld. Auch für den Kaffeeanbau muss ich Geld ausgeben, etwa für die Erntehelfer oder um Gras zu kaufen, das nötig ist, um die Pflanzen vor der Sonne zu schützen.
[Das Interview führte Lilith Schardt]
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