Bio-Kaffee: So funktioniert der Anbau des hochwertigen Bio-Kaffees in Musasa

Wie häufig wurden wir schon gefragt „Ist euer Kaffee Bio-zertifiziert?“ oder „Wann ist es endlich so weit?“. Nun ist der erste von unseren Partnern in Ruanda produzierte Bio-Kaffee als Bio Café MUSASA der GEPA auf dem Markt. Dies möchten wir zum Anlass nehmen, um über den Anbau von Bio-Kaffee und den Stand in Ruanda zu berichten.

Die einzelnen Arbeitsschritte für den Bio Café MUSASA bis zum fertigen Röstkaffee bleiben wie gewohnt im Ursprungsland – das ist selten auf dem Kaffeemarkt. Fast dreimal so viel Geld gegenüber kommerziellen Kaffees bleibt vor Ort. Bio Café MUSASA ist in Kooperation von uns mit den Fairtrade-Pionieren GEPA entstanden. Die GEPA hat die Bio-Zertifizierung der Rösterei unterstützt. So kann sich Rwashoscco neue Märkte erschließen, sodass mehr Bäuer*innen davon profitieren. Denn nur, wenn auch die Rösterei biozertifiziert ist, kann der Bio-Röstkaffee der Bauern auch als „Bio“ verkauft werden.

Die Kooperative Dukundekawa aus Musasa begann 2011 auf eigene Initiative mit der teilweisen Umstellung auf den Anbau von Bio-Anbau. Viele Käufer hätten nachgefragt, ob der dort produzierte Kaffee auch biologisch angebaut sei. Um diesen wachsenden Markt zu bedienen, hat sich die Kooperative dazu entschieden, das Experiment mit Bio-Kaffee einzugehen, erzählt Simon Nabonibo, Zertifizierungs-Manager in Musasa. Immerhin sind bereits 74 Prozent aller Fairtrade-Kaffees auch bio-zertifiziert, so Fairtrade Deutschland.

Investitionen in die Umstellung auf Bio-Kaffee

Der Begriff Experiment beschreibt es ganz gut, denn um auf Bio umzustellen und zertifiziert zu werden, benötigt es einige Investitionen, deren metaphorische wie wortwörtliche Früchte meist erst in ferner Zukunft geerntet werden können. Dukundekawa wählte den Einzugsbereich um die Washingstation Mbilima für den ersten Durchlauf und bildete alle Bäuerinnen und Bauern in dieser Zone aus, um kollektiv auf Bio umzustellen. Denn wie auch bei anderen Angelegenheiten gilt in der Kooperative: entweder alle oder keiner. Besonders beim Anbau von Bio-Kaffee hat dies jedoch Relevanz, da ein Mindestabstand zwischen biologisch und konventionell angebauten Pflanzen eingehalten werden muss. Doch was muss noch beachtet werden, um biologisch zu produzieren? Simon erklärt es mir anhand des Leitfadens, den sie auch für ihre Farmer-Trainings verwenden:

„Das wichtigste beim Anbau von Bio-Kaffee ist der Verzicht auf künstliche Dünger. Stattdessen verwenden wir natürliche Dünger wie Kuhdung und Kompost. Den kaufen wir teilweise ein, teilweise produzieren die Bäuerinnen ihn selber, durch die Kühe, die ihnen über die Kooperative zur Verfügung gestellt wurden. 2011 haben wir 300 Kühe gekauft und an die Bäuerinnen verteilt, die keine hatten und sie am nötigsten brauchten. Das war eine große Investition, denn eine Kuh alleine kostet 800.000 RWF (rund 800€). Sobald eine Kuh ein weibliches Kälbchen bekommt, wird dieses innerhalb der Kooperative weitergegeben an den oder die nächste Bäuerin.“

Anstelle von Pestiziden werden die Bäuerinnen sensibilisiert, welche natürlichen Feinde Schädlinge haben: Chamäleons, Grashüpfer und Marienkäfer essen beispielsweise Parasiten. Als natürliches Insektizid verwenden die Kaffeebäuerinnen und -bauern beim Anbau von Bio-Kaffee die Pyrethrum-Blume, die am Fuße der Virunga-Vulkanberge wächst.

Der Boden um die Kaffeesträucher muss immer mit einer Schicht Heu bedeckt sein, die regelmäßig erneuert wird. Das schützt den Boden vor Austrocknung und Erosion und liefert gleichzeitig wichtige Nährstoffe.

Um den Kaffeepflanzen Schutz vor Sonne, Wind sowie extremem Regen und Temperaturschwankungen zu gewährleisten, sind die Bio-Kaffeebäuerinnen und -bauern angehalten, ausreichend Schattenbäume zwischen die Sträucher zu pflanzen.

“Dazu haben wir eine Baumschule angelegt und verteilen regelmäßig Setzlinge von Bananenstauden oder Avocadobäumen, die sich als Schattenbäume eignen. Wälder abholzen, um Anbauland zu gewinnen, tun wir übrigens sowieso nicht,“ erklärt uns Zertifizierungs-Manager Simon.

Um Monokulturen zu vermeiden und dem Kaffee außerdem ein gutes Aroma zu geben, sollte eine Plantage nie ausschließlich aus Kaffeesträuchern bestehen, sondern mit anderen Pflanzen gemischt werden. Die meisten Kaffeebäuerinnen und -bauern in Musasa pflegen eine Mischkultur von Obst und Gemüse. Zitrusfrüchte oder Mangos verleihen dem Kaffee eine besonders gute Note. Diese pflanzliche Diversität fördert gleichzeitig die Tiervielfalt, was wiederum als natürlicher Schädlingsschutz dient, vor Erosion schützt und für ein gesünderes, ökologisch ausgewogeneres und langlebigeres Umfeld sorgt. Die Farmen müssen einen Mindestabstand zu großen Straßen oder Flüssen haben, um Verschmutzung zu vermeiden. Die Umgebung der Plantagen muss sauber gehalten und die Umwelt geschützt werden. Dazu zählt beispielsweise, dass biologisch abbaubarer und abbauresistenter Müll getrennt und entsprechend entsorgt werden müssen.

Kaffee Kooperative mischkultur
Kaffee wird in unseren Partnerkooperativen in Ruanda in kleinen Gärten in Mischkultur angebaut

In allen Schritten entlang der Produktionskette, egal ob an der Washingstation, beim Prozessieren oder beim Rösten, muss streng zwischen Bio- und konventionellem Kaffee getrennt werden. Wir haben deshalb spezielle Tage, Lager und abgetrennte Bereiche nur für die Verarbeitung des Bio-Kaffees,“ so Zertifizierungs-Manager Simon.

Umsetzung des Bio-Kaffeeanbaus

So viel zu den formalen Kriterien. Doch wie erfahren die Bio-Kaffeebauern und -bäuerinnen davon und wie wird sichergestellt, dass die Standards auch eingehalten werden? „Zwei Mal im Jahr veranstalten wir interne Trainings für den Anbau von Bio-Kaffee hier im Zentrum der Kooperative, wobei alle theoretischen Inhalte vermittelt werden“, führt Simon aus. „Die Praxismodule erfolgen dann monatlich vor Ort auf den Plantagen in kleineren Gruppen pro Dorf. Dabei erklären wir den Bio-Kaffeebauern und -bäuerinnen, wie sie ihren eigenen Dünger aus Kuhdung und Gras herstellen können, Befall und Schädlinge rechtzeitig erkennen und umweltschonend bekämpfen oder Müll richtig aufbereiten.” Die Kosten dafür werden gemeinschaftlich von der Kooperative übernommen.

Interne Inspektoren der Kooperative besuchen einmal im Monat jede Farm, um zu schauen, ob alles beim Rechten ist und dokumentieren das. Einmal pro Jahr gibt es zudem unangekündigte Überprüfungen der Bio-Zertifizierer.

Herausforderungen im Bio-Kaffeeanbau

Inzwischen sind 613, also etwas über die Hälfte der 1.193 Mitglieder Dukundekawas Bio-zertifiziert. 2018 produzierten sie 607t Bio-Kaffeekirschen. Bei insgesamt 180.400 Sträuchern ist das eine durchschnittliche Rate von 3,3 kg pro Strauch – das liegt etwas unter dem optimalen Ertrag von 4 kg, aber über dem ruandischen Durchschnitt von 1,5 kg pro Strauch.

„Es dauert rund drei Jahre bis alle Überreste des künstlichen Düngers aus dem Boden beseitigt sind“, erklärt Isaac Nsanzamahoro, Manager der Kooperative. In den ersten zwei Jahren geht der Ertrag beim Anbau von Bio-Kaffee aufgrund der Umstellung etwas zurück, pendelt sich danach jedoch wieder auf dem ursprünglichen Level ein.

Emeritha ist eine von ihnen und stieg 2016 auf den Anbau von Bio-Kaffee um. Auch sie erhielt eine Kuh, nahm an den Trainings der Kooperative teil und scheint all die Hinweise sehr verinnerlicht zu haben. Ihre Pflanzen sähen nun besser, grüner und weniger trocken aus als vorher, sie trügen mehr Blätter als zuvor und die Kirschen seien größer, erzählt mir Emeritha. Trotz allem sagt sie auch, Bio sei sehr viel aufwendiger als der konventionelle Anbau. Anstatt nur 50g der kleinen weißen konventionellen Dünger-Kügelchen pro Baum zu verstreuen, muss sie nun per Hand den Kuhmist und rund 3 kg Heu pro Baum verteilen

„Das dauert viel länger und ist schlichtweg zu schwer für mich, wodurch ich Hilfe von Männern benötige“, klagt sie. Ob die Bio-Prämie das kompensieren könne und sich die ganze Unternehmung für sie lohne, möchte ich wissen. „Nicht wirklich!“, gesteht sie. Immerhin: Durch die Kuh erhält sie Milch für sich und ihre Familie und kann den Rest an die Kooperative verkaufen, wodurch sie rund 130.000 RWF (ca. 130€) im Jahr zusätzlich verdient.

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Bio-Kaffeebäuerin Emeritha mit unserer Autorin Charlotte Lonitz

Auch Plauthile Musabyimana gehört zu den ersten Bio-Kaffeebäuerinnen in Musasa. Sie besitzt gerade mal einen Hektar Land: Auf der einen Hälfte baut sie Kaffee an, auf der anderen Gemüse und andere Feldfrüchte für den Eigenbedarf. So wenig das auch sein mag: Weil sie Mitglied der Kooperative ist, reicht das Einkommen der Witwe, um ihre drei Kinder nicht nur durchzubringen, sondern sogar zur Schule zu schicken. „Ich bin stolz darauf, dass mein Kaffee jetzt nach Deutschland geliefert wird und froh, dass wir jemanden gefunden haben, der zu schätzen weiß, dass wir Bio-Kaffee anbauen.“

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Plauthile Musabyimana, Foto: GEPA – The Fair Trade Company/C. Nusch

Die kostenintensive Umstellung auf Bio-Kaffee

Vor allem auf Ebene der Kooperative bedeutet die Umstellung auf den Anbau von Bio-Kaffee große Kosten. Um alle Ausgaben für die Kühe, die neuen Dünger, die Setzlinge, Trainings und Kontrollmaßnahmen zu finanzieren, nahm sie einen Kredit auf. Dazu kommen die Zertifizierungskosten, denn die Kooperative trägt sowohl das USDA-Organic als auch das EU-Biosiegel. Die Entscheidung, diese Investitionen zu tätigen, wurde von der Generalversammlung getroffen, die zweimal jährlich tagt und aus 113 Vertreter*innen besteht.

Haben sich die Investitionen inzwischen also gelohnt, fragen wir den Manager der Kooperative? „Noch nicht“, berichtet er, „denn es ist ein langer Prozess, bis sie sich amortisieren.”

Aufgrund der Geografie und Besitzverhältnisse in Ruanda ist ein quantitatives Upscaling nicht möglich, weshalb die Kooperative entweder über die Produktivität pro Strauch, die Qualität oder eben alternative Ansätze wie biologischen Anbau gehen müssen, um in Zukunft bessere Erträge zu erzielen. Die Nachfrage nach Bio-Kaffee steigt und Musasa Dukundekawa plant, die Kapazitäten auszubauen. Demnächst soll eine weitere Washingstation Bio zertifiziert werden.

Die Kooperative verfolgt ihre Vision. Doch man merkt auch: Die Angelegenheit ist sehr viel komplexer, als es zunächst scheint. Damit wir in Deutschland mit gutem Gewissen den Kaffee mit dem grünen Blatt trinken können, müssen Kaffeeproduzent*innen viel Zeit, Energie und Geld investieren. Kleinbäuerinnen und -bauern allein ist das in der Regel nicht möglich und auch Kooperativen müssen tief in die Tasche greifen und langfristig orientiert sein. Immerhin hat Dukundekawa insgesamt sieben Jahre gebraucht, um den ersten eigenen Bio-Kaffee auf den Markt zu bringen. Dass er gut schmeckt, davon sind wir und Emeritha Mukamurigo, die Qualitätsmanagerin der Kooperative überzeugt. Ob das Projekt auf Dauer profitabel ist und den Bäuerinnen nützt, das wird sich zeigen.